Kritik

Das Land des Lächelns von Franz Lehár

Baden bei Wien hat eigenen Flair. Warme Schwefelquellen lockten bereits die Römer an. Diese verliehen schon zu Zeiten von Kaiser Claudius (41-54 n.Chr.) der dortigen Siedlung ihren Namen: Aquae (Bäder, Baden). Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zur Sommerresidenz für vermögende Wiener. So verbrachte Kaiser Franz I. von 1796 bis 1834 jeden Sommer in Baden. Flair gewann die Stadt zusätzlich, als sie nach einem Großbrand 1812 im Biedermeierstil neu errichtet wurde, und auch als die Biedermeierstadt beschrieben wird. Mit Spielcasino, seinem Stadttheater und mehr blieb Baden bei Wien beliebtes Sommerausflugsziel.

Das Stadttheater Baden hat 2010 Franz Lehárs Operette Das Land des Lächelns auf ihrem Spielplan. Ein großes Werk, mit Nähe zu Puccini. Eine Operette, welche auch die tragischen Ereignisse des Dritten Reiches bitter nachklingen lässt: Lehár hatte sich, wohl auch um seine jüdische Frau Sophie zu schützen, mit den NS Machthabern hervorragend arrangiert. Eng befreundet war Franz Lehár mit Richard Tauber, dem damaligen König des Belcanto. Die Tenor – Partien vieler seiner Operetten, so auch die des Prinz Sou-Chang in Land des Lächelns, waren Richard Tauber auf den Leib geschrieben. Richard Tauber jedoch litt massiv unter den Nazis. Schon 1933 von SA-Horden zusammengeschlagen (Judenlümmel raus aus Deutschland) emigrierte Tauber 1938 nach England, unterstützte dort aktiv die Alliierten und wurde 1940 britischer Staatsbürger. Léhar und Tauber waren entzweit. Auch nach Kriegsende hatten sie nie wieder Kontakt miteinander.



Die Bühne Baden kennt man für schmissiges, mitnehmendes Operettentheater. So sollte es auch mit der originellen wie changierenden Land des Lächelns – Inszenierung von Robert Herzl und seinem Team (Dessyllas, Jurkovics, Heidinger, Humer) sein: Ein im Hintergrund platziertes chinesisches Stadttor, ein krächzender Schallplattenspieler, Zwischenvorhänge mit Tuschzeichnungen und wechselnde Projektionen schafften auf der Bühne eine prickelnde, feingliederige Stimmung, ohne von Schmalz überladen zu werden. Ein Happy-End bietet Land des Lächelns ohnehin nicht. So inszenierte Herzl diese komplexe Zuckertüte und ihre Schlager beschwingt und nachdenklich.

Franz Josef Breznik führte das Orchester der Bühne Baden prägnant mit klarer Klangsprache, unterstrich die kontrastreiche Partitur ohne kitschig zu werden. Exotische Klangreize, impressionistischer Zauber wurden hörbar: Vom wiegenden Walzer über das Apfelblüten-Motiv zu Chinoiserien und, im 3. Akt, sich leitmotivisch vermischende westliche und östliche Klänge. Breznik musizierte gekonnt differenziert. Die Sänger meisterten ihre teils sehr fordernden Partien hervorragend. Matjaz Stopinsek beherrschte als Prinz Sou-Chong seine Partie stimmlich wie darstellerisch. Er kämpfte mit dem Luxus-Problem, seinen große, geschmeidige Stimmumfang dem feinen aber kleinen Stadttheater Baden anpassen zu müssen.

Barbara Payha als Lisa war eine vorzügliche Partnerin mit kräftigem Sopran und starker Ausstrahlung. Zugleich glänzten Jasmina Sakr als selbstbewußte Prinzessin Mi durch Spielfreude und Reinhard Alessandri als charmanter Gustl (Graf Pottenstein). Obereunuch Tibur Sznolnoki und Onkel Franz Koepp spielten und sprachen witzig. Auch Paul Schmitzberger als Graf Lichtenfels füllte seine Partie ebenfalls überzeugend aus. Matyas Jurkovics glänzende Choreographie, die Solotänzer Yulia Potorochina und Igor Prokopenko und das Corps de Ballett der bühnebaden trugen auch maßgeblich zum Erfolg dieser schönen Vorstellung bei: Körpernahe, fast rituelle Bewegungsornamentik in Rot und Schwarz, zurückgenommene Walzerseligkeit wurde wunderbar aus der Musik entwickelt und untermalte eindrucksvoll Gesang und Handlung.
Das ausverkaufte Haus bedankte sich überschwenglich für die angenehm moderne Inszenierung und Vorstellung. IOCO / Viktor Jarosch / 06.11.2010