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Staatsoper Unter den Linden vor Umzug ins Schiller Theater
Ronald H. Adler, Kommissarischer Intendant und Operndirektor sowie Generalmusikdirektor Daniel Barenboim luden zur Präsentation der kommenden Spielzeit 2009/2010.
Die Einladung der Medien war zeitgerecht und kompetent. Als Schmankerl wurden den Medienvertreter eine Tour der Staatsoper Unter den Linden geboten; in die tiefsten Katakomben des Hauses wie hinauf auf den 25 Meter hohen Schnürboden.
Eine sinnvolle Tour. Verdeutlicht sie dem blutigsten Laien die Notwendigkeit der anstehenden € 239 Millionen kostenden Totaloperation: Fehlende Verbindungen von Zuschauerraum zum Bühnenraum, schadhafte Abdichtungen der Kelleraußenwände, schlechte Sicht auf vielen Besucherplätzen, antiquierte Technik sind nur einige der nach Schließung oder Sanierung schreienden Mängel des Hauses. Auffällig, daß sich die vorangegangene öffentliche Debatte zur Sanierung fast ausschließlich um den Erhalt oder eine radikale Modernisierung des historischen, 1955 von Dr. Paulick in Anlehnung an die Formensprache des friderizianischen Rokoko, restaurierten Zuschauerraumes drehte. Befürworter des Totalumbaus sahen in dem Paulick – Raum nur ein schlechtes Rokoko – Imitat in DDR – Anmutung. Der Entwurf des im Juli 2008 bereits zum Ausschreibungsgewinner gekürten Architekten Klaus Roth (Ziel: Komplettsanierung des Zuschauerraumes) wurde nach Proteststürmen der Öffentlichkeit kassiert.
Der Stuttgarter Architekt Merz, Gewinner der zweiten Ausschreibung, beabsichtigt nicht nur eine Sanierung bei Erhalt des Zuschauerraumes aber mit u.a. besseren Sichtverhältnissen, sondern auch des benachbarten Intendanzgebäudes, des Magazins und vieles mehr. Zum Abschluß des fröhlichen Kulturkampfes um den Zuschauerraum begrüßten Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit, Chef der Opernstiftung Stefan Rosinski, GMD Daniel Barenboim mit großen, schweren Worten. Vor sechs Monaten, bei der Kürung des Gewinners der ersten Ausschreibung, wurde das absolut gegenteilige Ergebnis mit ähnlichen Worten begrüßt.
Zur eigentlichen Jahrespressekonferenz: Es präsentierten Ronald H Adler, amtierender Intendant und Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor. Sie präsentierten hoheitlich von barocken `Chefsesseln´, welche sie sich in den Zuschauerraum hatten stellen lassen. Keine anderen Führungskräfte anwesend. Zwangsläufig entstand der Eindruck einer etwas aufwendigen Kaffeerunde. Man parlierte sodann freundlich.
Ronald H. Adler beschrieb das etwas reduzierte Programm der kommenden Spielzeit ein. Eröffnet wird die Saison am 29. Augusst 2009 mit einer live auf dem Bebelplatz übertragenen Vorstellung von Wagners `Tristan und Isolde´. Die erste Opernpremiere fällt auf den 24. Oktober mit Verdi´s `Simone Boccanegra´. Placido Domingo singt erstmals die Titelrolle des Simone, auffälligerweise eine Helden- / Charakterbariton – Partie. Drei weitere Premieren sind geplant für 2009 / 2010: `Die Fledermaus ´ von Johann Strauß, `Agrippina ´ von Georg Friedrich Händel sowie `L´Etoile´ von Emmanuel Chabrier. Am Pult stehen Daniel Barenboim, Zubin Mehta, René Jacobs und Simon Rattle. Schwerpunkte der Staatskapelle sind ein sechsteiliger Beethoven-Bruckner-Zyklus sowie Werke von Schönberg und Schostakowitsch. Spannend werden wohl auch die Cadenza Barocktage Anfang Februar 2010 mit dem Ensemble `Akademie für Alte Musik Berlin´. Sodann übernahm der Stardirigent / Starpianist, Herr Barenboim, die Gesprächsführung. Locker im Barocksessel sitzend, leicht gelangweilt wirkend, wie einer lästigen, überflüssigen Pflichtübung nachkommend, erzählte er – man konnte nur schwer folgen – von sehr aufwendigen Reisen durch viele ferne Länder. Das Werk von Pierre Boulez, anläßlich dessen 85. Geburtstages soll mit mit einem besonderen Programm im Rahmen der Festtage gewürdigt werden. Auch in Zukunft soll, so Weltgeist Barenboim, die Staatsopern-Spielzeit stets mit einer Premiere am Tag der deutschen Einheit beginnen. So wird, verriet Barenboim, 2011 die zweite Saison im Schiller-Theater mit Janaceks `Totenhaus´ eröffnet. 2012 folgt Richard Wagners `Siegfried´. 2013 hofft Barenboim wieder in die Staatsoper zurückkehren zu können.
Den Umzug ins Schiller Theater kommentierte Barenboim mit ausführlichen Ost – West Diskurs: Wir ziehen nicht in den Westen sondern ins Schiller Theater, befand er. Zwanzig Jahre nach der Mauerfall sei es endlich an der Zeit, den Ost-West Gegensatz aufzugeben, erkannte der Maestro weltmännisch. Überhaupt seien die Ost West / Nord Süd Vergleiche überflüssig, entdeckte er. Neben Placido Domingo, Rolando Villazon und Magdalena Kozená werden auch Waltraud Meier, Anja Harteros, Peter Seiffert, Robert Gambill und andere herausrande Sänger 2009 / 2010 an der Staatsoper gastieren. Die kürzliche Episode mit Stefan Herheim oder andere öffentlich diskutierte Managementmängel an der Staatsoper kommentierte Barenboim leider nicht. Barenboim endete die Audienz mit knappem, emotionslosem Hinweis auf den neuen, für Ende 2010 erwarteten Intendanten Jürgen Flimm. Erwartungshaltung war nicht zu erkennen.
Grundsätzliche, detaillierte Ausführungen zu Zielen der Lindenoper fehlten auf der JPK. Barenboim, faktisch verantwortlicher Leiter der Lindenoper, konzentrierte sich auschließlich auf künstlerische Themen. Diese hatten zumeist ihn und politische Allgemeinplätze im Mittelpunkt. Keine Aussagen zur Entwicklung der Besucherzahlen der Lindenoper. Vorstellungen zu Kinderoper, Auslastungszahlen, Anzahl verkaufter Karten, Erträge aus Koproduktionen, Sponsoring (außer einem deutlichen Hinweis auf BMW) und anderen brennenden Themen hat Barenboim nicht vermittelt.
Insgesamt vermittelte die JPK den Eindruck einer Kaffeerunde, welche sich um Daniel Barenboims künstlerische Ambitionen und allgemein den Spielplan 2009 / 2010 der Staatsoper drehte. Nach einer Stunde war die JPK beendet. Die Bezeichnung Jahrespressekonferenz wirkte für die Veranstaltung verfehlt. IOCO / Viktor Jarosch / 24.04.2009
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