Kritik

Tiefland – Eugen d’Albert
Ein spannender Abend war am 9.5.08 in der Düsseldorfer Rheinoper zu erwarten. Tiefland: Im Hitler-Europa oft gespielt; im Nachkriegseuropa zunächst gemieden. Seit einigen Jahren häufiger inszenierter Geheimtipp auf Deutschlands Bühnen. Die Düsseldorfer Tiefland-Historie, eine unglaubliche Vorgabe: 1964 mit Arnold Quennet am Pult, Astrid Varnay, Randolph Symonette und Hans Hopf. Klassisch inszeniert.
Die Story brutal, grausam, ergreifend; italienischer Verismo eben. Und damit untypisch für deutsche Opern. Musikalisch besitzt das Stück keine eigene durchgängige Handschrift. Dafür aber einen voll bepackten Klangteppich, der Wagner (Originalsprache Deutsch, zahlreiche Leitmotive) wie aber auch Kolorit von Mascagni, Bizet und spanischer Zarzuela spüren läßt.
Die Inszenierung von Elmar Fulda im Prolog ergreifend: Die Saalbeleuchtung erlischt; wie auch das Licht im Orchestergraben. Bühne: Riesiger schwarzer Sternenhimmel, Feuerstelle. Pedro beschreibt das Glück seines Lebens in den Bergen. Und den Wunsch nach einer Frau. Musik, Gesang und Bühnenbild verwachsen zu einer überzeugenden naiven naturalistischen Einheit. Dann erscheint Sebastiano und überzeugt Pedro, im Tiefland Frau und Ansehen zu gewinnen. Feldo´s Personenregie sehr ausdrucksvoll: Das Spannungsfeld von Besitz und Abhängigkeit (Sebastiano: `Der Welt zuliebe gebe ich dir den Pedro, alles andere bleibt beim alten´) im Ausdruck der Sänger stark, kompromisslos. Nächstes Bild: Das Tiefland, das Innere einer Mühle, modern dargestellt, fällt ab: Geschlossener, holzgetäfelter Raum mit Allutreppe und heller Beleuchtung. Die Beschäftigten der Mühle tragen Blaumann und Schutzhelm. Ein wohl etwas flacher Darstellungsversuch heutiger Arbeitsverhältnisse.
Die Sänger der Hauptpartien in ihren Rollendebuts überzeugend. Alfons Eberz als Pedro; kräftiger, strahlender Tenor, vom lyrischen Pianissimo bis zum dramatischen Fortissimo mit sicherer Diktion. Grandios: Die im Habanera-Rhythmus vorgetragene Wolfserzählung. Eberz Stimme wird in den kommenden Vorstellungen noch an Geschmeidigkeit gewinnen und noch mitreissender werden. Carol Wilson verkörpert die mißbrauchte und verzweifelte Marta, zurückgenommen, aber stimmlich einwandfrei. Überwiegend in lyrischen Partien zu Hause, demonstriert Carol Wilson eindrücklich die in Tiefland geforderten Fähigkeiten und Erfahrungen im dramatischen Fach. Und Heidemann spielt den Schurken Sebastiano großartig. Stimmlich wie darstellerisch. Sein Bariton wechselt zwischen bedrohlicher Gewalt und schmeichelnder Zärtlichkeit. Auch hier gilt: Ein perfektes Rollendebut.
Selbst die Nebenrollen sind herausragend besetzt; stimmlich, aber auch schauspielerisch; das Ensemble ist gut eingespielt. Zu nennen sind besonders Netta Or als Nuri und Martin Koch als Nando.
Die Düsseldorfer Symphoniker haben das Stück jederzeit im Griff. Leider jedoch nicht so nuancenreich wie möglich. Der kompositorisch mögliche blühende Klangteppich verlor sich leider zu oft in ungemildertem Crescendo. Und nötigte dann zudem die Sänger in stimmliche Extreme. Ihre unbestrittene Klasse werden die Rheinoper Symphoniker im Tiefland erst in kommenden Aufführungen beweisen können.
Insgesamt: Anhaltend starker Beifall des Publikums, zahlreiche verdiente Bravos für die Sänger. Ein packender Abend. Eine gelungene Premiere für eine Oper, die zu sehen und hören sich lohnt.
IOCO /cc /09.05.2008
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