Kritik

Premiere Luisa Miller von Giuseppe Verdi
Text von Salvatore Cammarano nach dem Bürgerlichen Trauerspiel Kabale und Liebe von Friedrich Schiller
Guiseppe Verdis überaus tragische Oper Luisa Miller, wurde am 8.12.1849 im Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführt.
Mit ihr vollzieht Verdi den letzten entscheidenden Schritt zu der populären Trilogie Rigoletto – Il Trovatore – La Traviata und löst damit das statuarische, oratorienähnliche Schema seiner frühen Opern zugunsten einer bewegenden Spielhandlung im Zeichen von Liebe, Intrige, Gift und Tod.
Mit dieser Oper dringt Verdi erstmalig in die bürgerliche Sphäre vor und rückt – einmalig – ein kleinbürgerliches Familiendrama ins Zentrum der Handlung.
Luisa Miller besitzt noch nicht die Vollkommenheit späterer Werke Verdis, hauptsächlich der erste Akt wirkt reichlich zerdehnt und musikalisch nicht gerade von Ideen sprudelnd. Doch steigert sich das Werk und das Finale erreicht den Rang nachfolgender Meisterwerke.
Verdis Luisa Miller steckt voller dramatischer Wirkung und melodischer Vielseitigkeit. Trotzdem ist Luisa Miller selten in Spielplänen zu finden. Grund für diese Zurückhaltung ist wohl weniger, dass die Schiller-Vertonung von Kabale und Liebe als Sakrileg gesehen wird, sondern vielmehr, dass diese Oper einfach weniger populär ist und zudem Stimmen mit außergewöhnlichen Qualitäten fordert.
Verdis 14. Oper (von insgesamt 26) hatte am 26.9.2010 Premiere in der Staatsoper Stuttgart.
Das Bauernmädchen Luisa liebt Rodolfo, von dem sie nicht weiß, dass er der Sohn des Grafen Walter ist. Dieser will seinen Sohn jedoch standesgemäß verheiraten. Walters Sekretär, mit dem treffenden Namen Wurm, ist seinerseits in Luisa verliebt und versucht sie durch Intrigen und Erpressung an sich zu binden. Die Verkettung der unglückseligen Ereignisse führen am Ende zum Tode aller in diese Dreiecksgeschichte verwickelten Personen.
Um dieses Intrigengeflecht sinnvoll auf die Bühne zu bringen, haben der Bühnenbildner (Franz Lehr / Christof Piaskowski) und der Regisseur (Markus Dietz) die Szenerie auf einer Minimalbühne angesiedelt, mit einem blau-grauen viereckigen Kasten, in dem ununterbrochen Prospekte rauf – und runter – gezogen wurden. Wechselweise hob und senkte sich auch die Untermaschinerie, was viel Unruhe auf die Bühne brachte. Ein Hintergrundprospekt zeigte ein ausgeweidetes Reh, die tanzende Luisa und viel Blut. Wilder Aktionismus! Szenisch dagegen geht es sehr karg zu, ohne Dekorationen und Requisiten. Der Bühnenbildner beschränkte sich auf eine freie Spielfläche ohne lokalisierende Andeutung. Bis auf eine abstrahierte Tiroler Felsengegend auf der Hinterbühne, um vielleicht die Gefühlskälte und den inneren Seelenzustand der Hauptakteure zu vermitteln. Ein weitgehend misslungener Versuch der Stilisierung dieser Oper. Die Kostüme von Anna Eiermann waren eine phantastische Mischung aus dem Theater-Fundus.
Die gute Besetzung dieser Premiere belebte greifbar die kontrastarme konstruierte Szenerie und verlieh der Aufführung Lebendigkeit. Getragen wurde die Inszenierung von der herausragenden, dramatischen Koloratursopranistin Annemarie Kremer und ihrer sensiblen und intensiven Charakterisierung der Luisa, die die innere Qual und Zerrissenheit dieser Partie wiedergab.
Luisa ist eine sehr schwierige Partie, die ins lyrische, dramatische aber auch ins Koloraturfach zugleich reicht. Annemarie Kremer steigerte sich, nach anfänglich noch unsicher gesungenen Koloraturen (Premierennervosität) mit dem sauber gesungenen a cappella Quartett im zweiten Akt zusehends.
Dann klang ihre Stimme in allen Lagen schön; selbst den Wechsel von lyrischen zu den dramatischen Teilen der Partie sang sie mit mädchenhaft berückender Stimme.
Absolut ebenbürtig war der junge Spinto-Tenor Dmytro Popov als Rodolfo. Seine Stimme hatte nicht nur Schmelz und Biegsamkeit, sondern auch Kraft für die erforderliche Dramatik. Die große bekannte Rodolfo-Arie ( Quando le sere al placido ) sang er mit großer Intensität und ohne technische Mühen. Selbst in den hohen Regionen besaß Popov durchgängig Kraft und Durchhaltevermögen.
Beide Protagonisten Kremer und Popov machten die lange Duettszene im dritten Akt mit grandioser sängerischer Kraft zum eigentlichen Höhepunkt des Abends. Die anderen der insgesamt sechs Hauptpartien waren durchaus gut besetzt.
Leider nicht ganz so grandios war der etwas hölzern aber stimmkräftig geführte Bass Konstantin Gornys als Graf Walter . Jeniece Golbournes als Federica setzte Persönlichkeit, Souveränität und einen dunklen Mezzo ein (leider in der Tiefe mit einigen unangenehmen Brusttönen), der mit der schwarzen Intriganten-Stimme des Grafen kontrastierte.
Ein im Bösen souveräner und voll tönender Schlossverwalter Wurm war Attila Jun. Er gab seiner guten Charakterstudie Profil.
Eindrucksvoll Andrey Breus in seiner Rolle als Luisas Vater. Ein hell timbrierter Bariton. Im Duett mit seiner Tochter war seine variable Stimme sehr präsent. Diana Haller führte als Laura mit einer aufhorchen lassenden, herrlich aufblühenden Stimme den Staatsopernchor an.
Wenn man sich auf etwas verlassen kann in der Arbeit des Stuttgarter Staatstheaters, dann ist es die großartige Einstudierung des Staatsopernchores (Michael Alber). Er bestach durch Präzision, Spannung und homogenem Klang.
Am Pult der dänische Dirigent Thomas Sondergard. Er nahm oft keine Rücksicht auf die Stimmen der Sänger und musizierte recht laut und robust. Das Vokale wurde oft zugedeckt, so dass die Sänger zuweilen stark forcieren mussten. Er schlug anfangs enorm schnelle Tempi an und provozierte das Orchester oft zu kantigem Brio. Doch das legte sich glücklicherweise im Laufe des Abends und Sondergard bewies, dass bezwingender Ausdruck auch und gerade aus leise und ruhig entfalteten Passagen sprechen kann.
Das begeisterte Publikum dankte mit großem Beifall und Bravo-Rufen
Weitere Aufführungen: 1.10. / 6.10. / 8.10. / 15.10. / 24.10. / 29.10. / 1.11. / 9.11. / 14.11. / 19.11.
IOCO / KK / 26.9.2010