Kritik

Il Turco in Italia im Stagione
Von Angela Thierry
Gioacchino Rossinis Oper Il Turco in Italia, 1814 an der Mailander Scala uraufgeführt, ist in diesem Sommer im Theater an der Wien ein Mittelpunkt der Sommer Stagione. Diese Oper – immer ein wenig im Schatten von Rossinis Italienerin in Algier – besitzt jedoch alles, was eine gute Komödie braucht. Abweichend von den seinerzeit geltenden Konventionen der Opernlibretti ließ der Textdichter Felice Romani in diesem Stück die Handlung stets von einem Außenstehenden kommentieren und erzeugte damit zugleich ungewohnte Distanz und Komik. Starke Charaktere, viele Verwicklungen, Liebe, Leid und Leidenschaft. Wenn das alles szenisch so umgesetzt, wird wie von Regisseur Christof Loy, dessen Produktion aus dem Jahr 2005 Benedikt von Peter brillant und mit Liebe zum Detail neu einstudiert hat, ist das Opernglück perfekt.
Worum es geht?
Die Handlung der Oper (…der Dichter Prosdocimo soll eine neue Oper schreiben….) wurde ins Neapel der 1970er Jahre verlegt, zumindest in dieser Inszenierung. Hier verdreht die junge, kecke, sehr polygame Fiorilla nicht nur ihrem Ehemann Don Geronio den Kopf. Mit Don Narciso hält sie sich einen schneidigen Liebhaber; auch ein Türke namens Selim weckt Fiorillas erotisches Interesse.
Dass dies nicht lange gut gehen kann, versteht sich. Denn auch des Türken verstoßene Frau Zaida, und ein nach einem guten Opernstoff suchender Dichter mischen kräftig mit. Bis zu Fiorillas Läuterung – hier wird dann auch die Einsamkeit und Tragik aller Beteiligten sichtbar – ist also viel Chaos programmiert.
Christof Loy, Benedikt von Peter, und Ausstatter Herbert Murauer setzen dieses Chaos federleicht und mit höchster Präzision in Szene. Ein toller Regie-Einfall jagt den nächsten, Gag folgt auf Gag. So schwebt Selim auf einem fliegenden Teppich in Neapel ein, der Dichter ist stets zur falschen Zeit am falschen Ort und bekommt Schläge ab, Eifersuchtsszenen werden in Boxkampf-Manier ausgetragen.
Die Sänger sind mit Freude bei der Sache: Allen voran die erst 26-jährige Nino Machaidze als darstellerisch herrlich kokette, vokal vor allem bei den Koloraturen exzellente Fiorilla. Sie war DIE Neuentdeckung der Salzburger Festspiele 2008. Nino Machaidze sprang für die damals wegen der Babypause verhinderten Anna Netrebko an der Seite von Rolando Villazón in “Roméo et Juliette” ein. Nino Machaidze ist – wenn sie auf ihre schön geführte Stimme aufpasst – ein ganz großes Versprechen für die Zukunft. Wegen ihres attraktiven Aussehens wird sie bereits “Angelina Jolie der Oper” genannt.
Nicht minder gut: Ildebrando d´Arcangelo als hinreißend komischer, stimmlich hervorragender Selim, der einen Macho aus dem Bilderbuch gibt. Als sein Konkurrent in Liebesdingen beweist Renato Girolami, dass man die Partie des Don Geronio sehr fein singen kann. Eine ausgezeichnete, auch spielerisch fabelhafte Leistung des Baritons.
Dazu kommen David Alegret als wackerer Don Narciso, Enrico Marabelli als präsenter Dichter, und die intensive Paola Gardina. Ein sicheres und starkes Ensemble, unterstützt vom Arnold Schönberg Chor.
Fabio Luisi als souveräner Dirigent mit den bestens disponierten Wiener Symphonikern ernten sehr verdienten und großen Jubel beim Publikum. Leider wird in diesem Sommer diese Oper im Theater an der Wien nicht mehr aufgeführt. Enttäuschten Opernfreunden empfehlen wir dann am 1., 4., 6., 8., 11. und 14. August ebenfalls im Theater an der Wien den Besuch von Mozarts Don Giovanni mit Erwin Schrott in der Partie des Don Giovanni.