Kritik

Die lustigen Nibelungen – Oscar Straus
Satire über vergangene und bestehende primär männliche Atavismen
Oscar Straus (1870 – 1954) komponierte seine burleske Operette Die lustigen Nibelungen 1904, zu Zeiten seiner berühmteren Namensverwandten Richard und Johann Strauß. Die Familien Strauss und Strauß waren wenngleich im Genre vereint, nicht verschwistert, nicht verwandt. Vater Straus kam von Mannheim nach Wien, heiratete dort; am 6. März 1870 wurde Oscar geboren.
Zunächst betrieb Oscar Straus sein Musikstudium in Wien, um mit 20 Jahren zu Max Bruch nach Berlin zu gehen. Er fügte sich scheinbar uneingeschränkt dem strengen Drill Bruchs: Komponierte Kammermusik, ein Requiem und symphonische Werke. Insgeheim jedoch komponierte er seine Lustigen Nibelungen.
Bruch war empört als er dies erfuhr, feuerte Oscar Straus mit Drohungen, niemals die `musikalischen Ungeheuerlichkeiten´ seiner `elenden Namensvetter´ zu begehen. So schlug sich Oscar an verschiedenen Bühnen durch, war Gustav Mahlers Korrepetitor, dirigierte Tannhäuser und lernte in Berlin Fritz Oliven kennen, welcher unter dem Pseudonym Rideamus satirische Schriften verfasste, und – von Oscar bedrängt – den Text zu den `Lustigen Nibelungen´ schrieb. Oliven, ein begeisteter Anhänger Jaques Offenbachs übertrug darin dessen Grundsätze homerischer Parodie in die Welt der Nibelungen. Oscar Jahre hatte zuvor auch seinen Namensvetter Johann Strauss kennengelernt. Dessen Rat: “Vergessen Sie alle Träume der großen Musik, gehen Sie in die Provinz.”
Oscar, in seinem sehr bewegten, ereignisreichen Leben, hält sich zunächst an diesen Rat. Komponiert viele Operetten, Tanzspiele. Später jedoch: Flüchtet vor den Nazis über Frankreich nach Amerika, dort Filmkomponist, dirigiert viel. Sein Sohn Leo wird 1944 in Ausschwitz ermordet. 1954 stirbt Oscar Strauss in Ischgl.
Nun zu Straus´ Operette: Die Regie, für den ehemaligen Burgschauspieler und jetzigem Volksoper Intendaten Robert Meyer ein gefundes Fressen. Er schwelgt in Burleske, Witz und Gassenhauern. Er deutet nicht an, er protzt Satire: Bühnenbild, Dekoration, Prospekt, Schauspielerei, Gesang: Nichts für ernste, nachdenkliche Gemüter, alles für einen heiteren, unkomplizierten Abendausklang.
Die Figur Gunthers als Anspielung auf Kaiser Wilhelm II, andere Anspielungen auf Ludwig II, preußische Uniformen, Säbelrasseln. Zahllose Parodien auf männliche Rituale. Sehr plastisch, vielleicht etwas platt. Aber gut gemacht und für eine Operette durchaus angemessen.
Die furchterregenden Darsteller: Gunther, der geliebte König von Burgund; Ute, seine Mama; Dankwart, sein Papa; Kriemhild, minnige Maid; Hagen, genannt “der grimmige Hagen”; Titzel und Tatzel, zwei junge Drachen und anderes deutsches Sagenungetüm.
1. Bild: Im Königsschloss zu Worms schart sich im Rittersaal die Herrscherfamilie zum Frühstück um Gunther. Man ist verstört. Gunther (Michael Kraus) hat in hoffnungsloser Selbstüberschätzung die männermordende Brünhilde vom Isarstrand (Birgid Steinberger) zum Zweikampf herausgefordert. (`Ich bin durch meine Leidenschaft in schweres Leid geraten´). Die Verwandten raten, Brünhilde ohne Zweikampf, auf die übliche Art zu lösen: ` .von hinten erschlagen. Hagen, das ist doch deine Spezialität´. Aber alles Grübeln ist nicht weiter erforderlich: Der Recke Siegfried von Niederland, (Robert Wörle) auf Kriemhild (Renée Schüttengruber) erpicht, naht. Siegfried ist übrigens nicht nur Drachentöter sondern auch Finanzexperte.
Das Rheingold, welches jeder auf dem Grund des Rheines vermutet wird liegt tatsächlich bei der Rheinischen Bank und bringt 6% Zinsen (`Das ist das Rheingold, ja das ist mein Gold´ ). Kriemhild verfällt dem dem Paket von `Kraft und Kapital ´ sofort, heiratet Siegfried und Frieden zieht ein im Wormser Schloss. Bis überraschend die inzwischen vergessene Brünhilde vom Isarstrand mitsamt Amazonen (in weißblauen Dirndlen) erscheint und ihren Kampf mit Gunther fordert.
Der Kampf wogt, ein bißchen hin, ein bißchen her. Auch, weil der Recke Siegfried immer seine Tarnkappe einsetzen muß, um nicht unter zugehen . Kriemhild – von Hunnenkönig Attila mit lukrativen Angeboten bedrängt – will unbedingt in den Witwenstand eintreten.
Auch die Familie Gunthers ist sich einig: Siegried muß wegen seines Vermögens sterben. Hagen soll den Mord begehen, wird jedoch von Siegfried entwaffnet: `Ich weiß, du hast mich ermorden wollen, aber nicht aus Blutdurst oder Übermut, sondern wegen meines Geldes wegen: Also aus edlen, lauteren und verständigen Motiven´. Hagen erfährt zudem, daß die Nibelungenaktien dramatisch gefallen sind
Die Inszenierung bietet in Gesang und Schauspielkunst, durch Regie und Bühnenbild heiter gelungenes Genrestück der Operette. Das grosse Ensemble zeigt herrliche Satire über vergangene und noch bestehende primär männliche Atavismen.
Die Lustigen Nibelungen: So inszeniert, ein zu Unrecht selten gezeigtes Stück. Kompliment gilt dem Mut und der Regie von Robert Meyer; Beifall verdiente die schauspielerische Leistung und die guten Stimmen des Ensemble.
IOCO / Viktor Jarosch / 20.01.2009