
Wiener Staatsoper: Musiktheater mit Charme und Profis
Am 2.4.2009 lud die Wiener Staatsoper in ihrem Schwindfoyer zur Pressekonferenz zum Spielplan 2009/2010. Das Ambiente des Raumes ebenso bezaubernd wie Ioan Holender´s Präsentation professional und entspannt. Thomas Platzer, kaufmännischer Geschäftsführer, Betriebsdirektorin, Sabine Hödl-Weinberger. Das weitere Management wurde vorgestellt: Michaela Stark, Produktionsleitung, Peter Kozak, Technischer Direktor, die für die Dramaturgie verantwortlichen Brüder Andreas und Oliver Láng wurden vorgestellt. Katharina Sedivy als Prokuristin, Margarete Arnold, André Comploi für die Pressearbeit.

Obwohl noch über 15 Monate dabei, wirft der Abschied von Ioan Holender bereits heute seinen langen Schatten. Ein Intendant verabschiedet sich, welcher über viele Jahre Vorbildcharakter für eine ideale Intendatenbesetzung bewiesen hat. Dem es gelang, die Wiener Staatsoper dauerhaft zu einem der führenden Kulturbetriebe in der Welt zu entwickeln. Stabil, verläßlich. Ohne das er als Regisseur, Dirigent oder Musiker allabendlich zusätzliche Referenzen abräumen mußte. So spürte man auch in dieser Pressekonferenz immer wieder das überregional prägende Wirken Ioan Holenders. Wie in dem zarten Hinweis, man habe Klaus Florian Voigt auf drängendes Bitten (Betteln ?) der Berliner Staatsoper kurzfristig für die dort gefährdete Lohengrin-Premiere am 4.4.2009 überlassen. Wien und Berlin: Zwei Staatsopern, welche in ihrer internationalen Präsenz Welten trennen.
” Zum letzten Mal” so Holender, singen die Gralsritter in Wagners Parsifal “möge der Gral enthüllt werden”. Diesen Chor hörte Holender am 1. September 1991 gemeinsam mit Eberhard Wächter. Und dieser Chor wird auch am 30. Juni 2010 ertönen, wenn er nach 19 Jahren seine Tätigkeit beendet. Was sonst noch alles an diesem 30.6.2010 geschehen wird; es wird unzweifelhaft ein von Weltstars gespicktes Opernereignis der Extraklasse werden; neben vielen Weltstars wie Placido Domingo wird auch der mit dem Staat Österreich etwas über Kreuz liegende Thomas Hampson auftreten; ohne Entgelt, so Ioan Holender.
Vier Premieren wird es in der Saison 2009/2010 geben: Am 23. Oktober 2009; Lady Macbeth von Mzensk von Dimitri Schostakowitsch; Reprisen am 27., 30. Oktober, 2., 5., 9., 12., 15. November. Und in Kooperation mit der Oper Graz. Am 7. Dezember 2009; Macbeth von Verdi; Reprisen am 10., 13., 16., 21., 26. Dezember sowie 13., 16., 20., 23., 26. Mai 2010. Am 28. Februar 2010; Medea von Aribert Reiman; die Uraufführung eines Auftragswerkes der Wiener Staatsoper; Reprisen am 3., 6., 9., 12. März 2010. In Kooperation mit der Oper Frankfurt; Am 16. Juni 2010; Tannhäuser von Wagner; Reprisen am 20., 24., 27. Juni 2010. Zu allen Premieren wird es vorab auch von Andreas und Oliver Láng geleitete Matineen geben wie auch von Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann geführte Diskussionsrunden (im Gustav Mahler-Saal der Wiener Staatsoper).
Eine Abschiedsmatinee für Ioan Holender wird es am 20.6.2010 geben.
Vier Musikalische Neueinstudierungen oder Wiederaufnahmen wird es in 2009 / 2010 geben: Am 14. Dezember 2009; Tristan und Isolde mit Simon Rattle als Dirigent; Reprisen am 18., 22. Dezember 2009. Am 8. Januar 2010 Manon von Jules Massenet; u.a. mit Diana Damrau / Anna Netrebko; Ramón Varagas / Roberto Alagna; Reprisen am 11., 14., 17. Januar und am 21. Mai 2010. Am 10. März 2010; eine Koproduktion mit dem Teatro Real, Madrid von Moses und Aaron von Schönberg; Reprisen am 13., 16. März 2010. Am 3. Mai 2010 musikalische Neueinstudierung Carmen von Georges Bizet in der Inszenierung von Franco Zeffirelli. Mit Elina Garanca, Anna Netrebko; Rolando Villazón, Ildebrando D´Arcangelo; Reprisen am 6., 9., 12., 15. Mai 2010.
Am 26. Juni 2010 wird des eine musikalische Rückschau auf das Werk Ioan Holenders in den Jahren 1991 bis 2010 geben. 157 Premieren – 83 Opern-, 63 Ballettabende, 11 Kinderopern präsentierte Ioan Holender in seiner Amtszeit, der längsten in der 140 – jährigen Geschichte der Wiener Staatsoper. Im Konzert dieses Abends werden Ausschnitte aus 40 Premierenproduktionen präsentiert.
Im Kinderopernzelt auf der Dachterasse werden am 27. September 2009 Das Traumfresserchen, am 8.12.2009 Wagners Nibelungenring für Kinder, und am 8. Mai 2010 die Uraufführung des Auftragswerkes Pünktchen und Anton von Iván Eröd aufgeführt.
Ring-Zyklen gibt es reichlich demnächst an der Staatsoper: Zyklus 1 beginnend am 5.5.2009, Zyklus 2 beginnt am 16.5.2009, Zyklus 3 beginnt am 6.6.2009. Zyklus 1 der Saison 2009 / 2010 beginnt am 7.11.2009; Zyklus 2 beginnt am 21.11. 2009; Abschluß der Ring-Zyklen ist mit Zyklus 3, welcher am 20.3.2010 beginnt.
Besondere Ereignisse zur aktuellen Saison 2008 / 2009:
– Symposium zum “Ring des Nibelungen” vom 5. – 6. Juni 2009, veranstaltet von der Wiener Staatsoper gemeinsam mit der EMA (Europäische Musiktheater-Akademie im Gustav Mahler-Saal der Wiener Staatsoper.
– Die schweigsame Frau von Richard Strauss am 18. Juni 2009, die Wiederaufnahme einer Koproduktion mit der Sächsischen Staatsoper Dresden
– Anna Karenina, Ballett von Tschaikowsky am 8. Juni 2009, eine Übernahme aus der Volksoper; Premiere an der Wiener Staatsoper
– Capriccio von Richard Strauss wird am 24. Juni 2009 konzertant auf dem Richard Strauss Festival in Garmisch Partenkirchen gegeben.
Auffällig für die Pressekonferenz war die Betonung wirtschaftlicher, praktischer Themen der Wiener Staatsoper. Die Sitzplatzauslastung der letzten sechs Jahre war immer über 96 %. In der gesamten Ära Holenders 1991 bis 2008 war die Auslastung immer über 93,5 %. Holender war Profi genug, darauf hinzuweisen, daß Sitzplatzauslastung kostenlos vergebene Karten beinhaltet, wichtiger seien verkaufte Karten. Dabei liegt er etwas unter Budget, welches jedoch durch Donatoren ausgeglichen wird. 3 % der Einnahmen der Staatsoper von ca € 28,8 Mio werden über Donatoren aquiriert, ein Thema, welches er höchstpersönlich auf seine Fahnen geschrieben hat. Lexus als Hauptsponsor hat seinen Vertrag gerade verlängert. Sponsoren haben laut Holender auch nur sehr geringe Ansprüche auf Freikarten. Er zielt mit dieser Feststellung deutlich auf die Salzbrger Festspiele, bei denen Sponsoren eine dominante und teils unangenehme Rolle spielen. Und möchte vermeiden, daß an der Wiener Staatsoper in grossem Stil Karten von Sponsoren erworben werden, der Individualbesucher zu kurz kommt, oder die teilweise exorbitanten Salzburger Preise von bis zu € 500 pro Karte bezahlen muß.
Holender erklärte, daß Kartenpreise der Wiener Staatsoper unverändert bleiben. 20.000 Abos sind für die kommende Saison bereits verkauft. Hier wird ein Nachlass von ca 25 % gegeben. Kritik kam auf an der Tatsache, daß für Abonnements nur Parkett- und Logenplätze zur Verfügung stehen. Auch wurde der von einem Besucher aufgebrachte Vorgang diskutiert, daß Kartenagenturen in eigenem Namen rechtmäßig erworbene Eintrittskarten zu einem deutlich erhöhten Preis weiter verkaufen können; also z.B. eine für € 160 erworbene Karte für € 360. Laut Thomas Platzer ist ein solcher Vorgang nicht gewünscht aber im Augenblick nicht zu verhindern. Holender äußerte großes Unverständnis für solche `Manipulationen´ der Eintrittskarten. Auf jeden Fall werden die Eintrittskarten der Staatsoper ab kommender Saison geändert: Auf jeder Eintrittskarte wird ein Bild aus der Aufführung abgebildet. Und damit zu einem plastischeren Erinnerungsstück werden.
Wie sehr sich Holender seinem Haus als ganzem verantwortlich fühlt zeigen seine wiederholten Ausflüge in die wirtschaftlichen Realitäten: Das die Staatsoper durch Ausgliederungen, Koproduktionen und ähnlichem inzwischen € 4,4 Millionen verdient hat. Die Tote Stadt ist die erfolgreichste Ausgliederung: bei Produktionskosten von €250.000 hat diese Oper bereits €500.000 eingespielt. Auch der CD Verkauf unter dem Titel “Wiener Staatsoper Live” boomt. So präsentierte Ioan Holender die Saison 2009 / 2010 realistisch und künstlerisch kompetent.
Ab 24. Mai 2009 werden Aufführungen live auf einer Videoleinwand vor der Staatsoper übertragen. Begonnen wird mit Don Giovanni.
Was macht Holender nach 2010 ? Er lächelte verschmitzt, verwies auf sein Alter, versponn entspannt lockere Gedankenschleifen, verwies auf einige Beraterverträge (ohne Partner zu nennen) und vermittelte mit dieser Pressekonferenz in angenehmer Weise hohe künstlerische Ansprüche und wirtschaftlichen Realitätssinn. Und verzichted dabei auf das notorisch lautes Inszenierungsgeheule vieler seiner Kollegen. Tu felix Wiener Staatsoper. IOCO / Viktor Jarosch / 08.04.2009